FC Bayern – Benfica Lissabon 5:1 (3:0
München, 28.11.18
Für Neymar, Messi, CR7 und Ibra ist dies Alltag. Dass sich alles um sie dreht. Um sie, um sie, um sie. Und um niemand sonst. Alle anderen bilden die Staffage. Seit Dienstag weiß Niko Kovac, wie sich das anfühlt. Eine ganze Stadt kannte kein anderes Thema als ihn. Egal, in welchen Münchner Radiosender (Bayern 1: „Tatarata – das Schicksalsspiel des Niko Kovac!!!!“) man geriet oder welche Schlagzeile einem entgegenbellte – alle verkündeten in einer Mischung aus hechelnder Sensationsgier einerseits und angehaltenem Atem andererseits: dass es um den Kopf von Niko Kovac geht.
Es würde am Abend nicht um Bayern oder Benfica oder um ein 4-3-3 oder 4-1-4-1 gehen, sondern einzig um:
Kovac. Und seine Zukunft.
Und wie das Gerichtsurteil nach dem Benfica-Match wohl lauten würde: Vorerst mal Halbverurteilung auf Bewährung? Oder Verbannung vom FC Bayern?
Egal, ob Cafès oder Kantinen, ob U-Bahnen oder Tankstellenstehtischchen – überall die gleiche Frage: Wird er dieses Spiel überleben?
Welch’ Gefühl es sein muss, festzustellen, dass eine Millionen-Meute von Menschen Anteil an der eigenen Karriere nimmt, kann nur erahnt werden. Vielleicht muss man es sich so vorstellen:
Buchhalter Müllermaier, am Kopierer stehend, hört aus dem nächsten Kabuff, wie sie darüber sprechen, dass er gefeuert werden wird und wer wohl als sein Nachfolger die freie Stelle besetzt: Der Huber vielleicht? Der Burger? Der Wurzlpfrumpft?
Buchhalter Müllermaier muss sich wähnen, in ein Kafka-Stück geraten zu sein.
Wie Kovac. Noch ist er im Amt an diesem Dienstag – und schon diskutieren alle bereits seinen Nachfolger: Wenger oder Conte oder Zidane? Hasenhüttl oder Happel oder Herberger? Eine Stadt sucht ihren Trainer. Fritz Lang hätte ein Schwarzweiß-Drama daraus gemacht.
Aber:
Am Abend dann gewinnt Kovac 5:1. „Jetzt wird es schwer für ihn, ihn zu entlassen“, lächelt ein Journalist kurz vor der Fastmitternachts-Pressekonferenz. Schwer für Hoeneß, den Präsidenten. Zumal Kovac ja einen Schachzug anwandte, dem er auch eine Zukunft gibt: Mit zwei Sechsern (Kimmich und Goretzka) die Mitte besser abzusichern. Wobei Neuer noch einen konzentrierten Libero gab. „Das war eine gute Idee“, betrieb Kovac hinterher Werbung für sich selbst und hoffte, „dass die Spieler merken, dass das, was wir ihnen an die Hand geben, Sinn macht.“ Offensichtlich merkten sie es bisher nicht.
„Es klingt vielleicht etwas merkwürdig“, so Kovac, „aber wenn wir gegen Große spielen, sehe ich, dass die Mannschaft es kann. Aber gegen die in Anführungszeichen „Kleinen“ glaubt man vielleicht, dass es mit halber Kraft geht. Ich hoffe, dass das heute ein Befreiungsschlag war.“ Und er ist sich sicher: „Das Vertrauen ist da und ich gehe davon aus, dass dies auch weiterhin Bestand haben wird.“ Das Vertrauen der Klubführung. „Natürlich spricht man darüber, dass die Bundesliga…“ Er stockt. „… der springende Punkt ist…“
Aber es gibt ja auch die Champions League – und nun dieses 5:1. Bei welchem Hoeneß beobachtet haben wird, dass sein fast schon persönlicher Schützling Franck Ribéry, nachdem er den letzten Treffer des Abends erzielt hatte, bei der Auswechslung Kovac umarmte, als sei jener sein Bruder.
Nichts lenkt so sehr von Job-Sorgen ab wie ein Fußballspiel. Nie traf dies in Kovac’ Laufbahn so zu wie am Dienstagabend. Doch nun kommt der Samstag – die Bundesliga. Dieser springende Punkt. „Sehen Sie, Herr Kovac“, fragte kicker-Chefreporter-Legende Carlo Wild den Coach, „Werder Bremen nun als GROSSEN oder als KLEINEN?“
„Für MICH“, so Kovac, „ist Werder Bremen eine GROSSE Mannschaft.“
Jupp Suttner
DING (super): Dass Arjen Robben zwei Tore wie ein Junger schießt.
DANG (auch nicht schlecht): Dass eine Doppel-Sechs Kimmich/Goretzka zumindest in diesem Spiel mal gut funktioniert hat.
DOOOOOONG (beruhigend): Dass der FC Bayern 2019 noch in beiden Pokalwettbewerben (CL und DFB) vertreten ist.
FUSSBALL IST DING, DANG, DONG.
ES GIBT NICHT NUR DING.
(Kick-Philosophie des einstigen FC Bayern-Trainers Giovanni Trapattoni)
Die aktuelle FC Bayern-Kolumne
von Jupp Suttner
FC Bayern – SC Freiburg 1:1 (0:0)
03.11.18
München, 03.11.18
Die argentinische Trainer-Legende César Luis Menotti (80) vertrat dieser Tage die Meinung: „Der Ball kann am Fuß und im Kopf einiger Spieler zum Kunstwerk werden.“ Nun, die deutsche Fußball-Legende FC Bayern (118) trug in eben jenen diesen Tagen nur wenige Aktionen vor, die als Kunst bezeichnet werden könnten. Am ehesten vielleicht noch der Kopfbeitrag des Münchner Abwehrspielers Rafinha, der sich zu Halloween als Scheich mit Bombe und Zündschnur in der Hand verkleidete und sein FC Bayern, der so gerne Trainingslager im arabischen Raum bucht, dies erst mit einem Tag Verspätung von seinen sozialen Kanälen entfernte. Wie gut, dass Digital-Hasser Hoeneß das wohl nie zu Gesicht bekam, denn er hätte es vermutlich als Scheißdreck bezeichnet, einem Ausdruck aus der Dreckskunstwelt.
Wie der Bayern-Präsident das Projekt namens „89. Minute“ benennt, möchten wir uns lieber nicht ausmalen.
Die 89. Minute war früher jene Minute, dem der Begriff „Dusel-Bayern“ entsprang – irgendein Zufalls-Siegestreffer des FCB in der vorletzten Minute.
2018 jedoch, so der Kunsthandwerker Niko Kovac:
„Gegen Augsburg 89., heute gegen Freiburg 89.“ Jeweils den Ausgleichstreffer zum 1:1 kassiert. Fazit am Samstag: „Wir haben geführt – und wir müssen gewinnen. Das dürfen wir uns als FC Bayern nicht mehr nehmen lassen.“ Hat man aber. Und zwar deshalb, weil man keinen Flankengott besitzt. Hinten. Einen, der entweder keine Flanken zulässt. Oder der dafür sorgt, dass in den eigenen Strafraum gezirkelte Flanken zu keinen Gegentreffern führen. Denn dieser göttlichen Absenz geschuldet kassierte der FCB in den letzten Wochen ein Flanke-Schuss-Tor nach dem anderen.
Freiburgs Trainer Christian Streich, an diesem Tag in Besitz eines Flankengottes VORNE (Christian Günter, 89.) und einem ganzen Rudel von Flankengöttleins hinten (den Bayern gelang kein Flanken-Tor) war sich hinterher bewusst: „Wir hatten das nötige Glück. Aber es ist halt nicht einfach, uns zu bespielen, denn unsere Jungs laufen wie verrückt.“
Am Ende der Pressekonferenz beantwortete Niko Kovac eine Frage mit einem einzigen Wort: „Nichts.“ Die Frage eines Journalisten hatte gelautet, was er denn davon halte, dass Thomas Müllers Ehefrau Lisa in etwa der 71. Minute, als ihr Mann eingewechselt wurde, auf Instagram über den Bayern-Coach postete bzw. pestete: „MEHR ALS 70 MIN BIS DER MAL EINEN GEISTESBLITZ HAT.“
Nach Rafinha die zweite Digital-Bombe dieser Woche. Doch der Kroate Kovac explodierte nicht darob, sondern lächelte lediglich spöttisch sanft. Große Kunst, diese Beherrschung! Für Choleriker wie Hoeneß sogar GRÖSSTE Kunst, die ihnen da geboten wird.
Und César Luis Menotti wird ganz tief den Hut ziehen, so er von Kovac’ Zen-artiger Gelassenheit erfährt. Doch bei sich denken: „Aber nützen wird es ihm nichts…“
Jupp Suttner
DING (super): Dass mit Gnabry einem der wenigen jungen Wilden beim FCB ein Tor gelang.
DANG (auch nicht schlecht): Dass Spielerfrauen – wie Lisa Müller – fest zu ihrem Mann stehen.
DOOOOOONG (beruhigend): Dass nicht Niko Kovac’ Frau Kristina auf Lisa Müllers Post zurückgepestet und einen Zickenkrieg entbrannt hat.
FUSSBALL IST DING, DANG, DONG.
ES GIBT NICHT NUR DING.
(Kick-Philosophie des einstigen FC Bayern-Trainers Giovanni Trapattoni)
Die aktuelle FC Bayern-Kolumne
von Jupp Suttner