JUPP SUTTNERs FC BAYERN-KOLUMNE: FUSSBALL IST DING, DANG, DONG. ES GIBT NICHT NUR DING: THOMAS MÜLLER: „JETZT STEHEN WIR DA…“  

Thomas Müller stand da und sagte:

 

„Jetzt stehen wir da…“

 

Vier Worte, aussagekräftig wie ein 400 Seiten-Drama. Eines ohne happy end. Sondern mit einem sudden death. Er trat in der 88. Minute ein – als Villareals Nr. 11, Chukwueze, den 1:1-Ausgleichstreffer erzielte. Wenig später: Schlusspfiff, Aus, Bayern draußen, gescheitert im Viertelfinale am 7. der Spanischen Liga.

 

Auch Matthias Sammer stand da, der Alt-Experte, und erklärte den taktischen Fehler, der zu diesem Villareal-Treffer geführt hatte, irgendetwas mit Abseits aufgehoben durch Alphonso Davies, aber keiner mit den aschfahlen Gesichtern ringsum wollte es so ganz genau wissen – änderte ja doch nichts mehr.

 

Eine Minute zu früh kam Alphonso Davies ins Spiel. Eingewechselt in der 87. Minute. Nun gut, vielleicht wäre dem ausgewechselten Lukas Hernandez das gleiche Malheur passiert. Aber vielleicht auch nicht. Sich taktisch falsch zu verhalten – und dadurch dem Gegenspieler einen Torschuss zu ermöglichen, der dann auch saß und Bayern aus der Champions League katapultierte.

 

Trägt jetzt Nagelsmann die Schuld, weil er mit der Phonzie-Einwechslung nicht bis zur Verlängerung wartete? Wo man 30 Minuten Zeit gehabt hätte, sich neu zu ordnen?

 

Oder wäre Nagelsmann der große Trainer-Held gewesen, wenn Davies auf der linken Seite so viel seines berühmten Dampfes gemacht hätte, dass die 1:0-Führung in ein 2:0 verwandelt worden wäre?

 

Weder/noch. Denn “der Wechsel war nicht freiwillig“, so Nagelsmann, „Luki war verletzt“.  Fußball hat eben immer auch mit Glück und Pech und Zufall zu tun. Mit unbeeinflussbaren Situationen. Und doch sind sie es, die eine gesamte Saisonbeurteilung in die eine oder andere Richtung treiben. Hätte Müller diesen Kopfball im Tor der Spanier zum 2:0 untergebracht und hätte Bayern damit vermutlich das Halbfinale der Champions League erreicht – hätte 2021/22 irgendwie noch gepasst. Doch jetzt – werden die großen Grundsatzfragen gestellt. Wie irre:

 

Ein einziger Abseitsfehler, ein einziges Gegentor – und schon urteilt die Süddeutsche Zeitung in voller Strenge und zugleich Spott: „Es wird nicht genügen, dass er“ (Bayern-Boss Kahn), „sich mit seinen Beratern bespricht und nach drei Monaten einen englisch betitelten Zehn-Punkte-Plan publiziert – er muss jetzt und öffentlich sagen, was gerade schiefläuft und warum.“

 

Ja, wird Kahn sich wohl denken, der Phonzie hat das Abseits aufgehoben.

 

Und dass dies nichts mit seiner „FC Bayern AHEAD“-Strategie zu tun habe.

 

Symbolisch? Kurz vor Anpfiff wurde Bayerns “Ewigkeit” abgebaut…

 

Ganz enorm anzusehen war die Bitternis des Abends Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, der nach dem Match mit fast ständig gesenktem Kopf (also nicht AHEAD) im Pressekonferenzraum der Schar internationaler Reporter gegenüber saß und deren unangenehme Fragen zu beantworten versuchte. Leise erwiderte er sie, demütig fast, offensichtlich jeglichen Temperaments verlustig gegangen – angesichts dieser Niederlage, der dritten seiner Karriere, die ihm besonders beklemmend erscheint. Die beiden anderen hatten mit Hoffenheim und Leipzig zu tun, jetzt also auch eine mit Bayern. Die geknickte Stimme sagte:

 

„Wir haben sie heute dominiert. Es war sehr gut und wir waren aggressiv. Aber das bringt nichts, weil wir ausgeschieden sind. Verloren haben wir das Duell im Hinspiel.“

 

„Nein, das wäre aus meiner Sicht zu viel Alibi, das Ausscheiden an so etwas festzumachen.“ (Wie die Vertragsgespräch-Plänkeleien im Vorfeld der Partie.)

 

Und auch die hollywoodesken Schauspielleistungen und Zeitschind-Versuche der Spanier trügen keine Schuld:

 

„Das gehört dazu, das ist die südländische Mentalität. Aber ich suche nicht die Schuld beim Gegner und sage jetzt auch nichts weiter dazu, sonst muss ich mich vielleicht nächste Woche schon wieder entschuldigen.“

 

„Wenn du auf 70 Meter Höhe verteidigst, dann kann immer eine relativ gefährliche Situation entstehen. Aber wenn du das Hinspiel verlierst, musst du dieses Risiko eingehen.“

 

„Meister zu werden ist für Bayern nicht ausreichend. Es gilt, in der Champions League als Mindestziel das Halbfinale zu erreichen – und das haben wir nicht geschafft.“

 

„Heute ist nicht der Abend, zu überlegen, wie weit wir nächstes Jahr in der Champions League kommen.“

 

Denn jetzt ist jetzt und Bayern ist draußen. Ein paar Minuten schoss den Bayern-Fans unter den 70 000 in der Arena nach dem Ausgleichstreffer eine Art Schockstarre ins Gemüt. Doch bereits kurz nach Abpfiff skandierte die Südkurve:

 

„Deut-scher-Mei-ster-wird-nur-der-FCB,

nur der FCB, nur der FCB…

 

Gut, der 10. Titel hintereinander wird es in Kürze sein, den die Münchner einfahren. Aber in den Pokalwettbewerben sind sie gescheitert:

 

National  im 16.-Finale gegen Gladbach mit 0:5.

 

International im Viertelfinale gegen Villareal mit 0:1 und 1:1.

 

Schweden sei nicht Brasilien hat Beckenbauer dereinst festgestellt. Und Villareal ist eben nicht Salzburg. Das spanische Team macht bei seinen Champions League-Matches kaum Fehler – und lässt sich auch kaum zu welchen zwingen. Gegnerische Press-Attacken mit heißestem Anrennen bewältigen sie wie Matadore, die – technisch beschlagen – die Stiere ins Leere laufen lassen. Sie agieren selbstbewusst selbst unter Druck – und finden so gut wie immer einen freien Gegenspieler, dem sie den Ball zupassen können. Und dennoch schafften die Münchner mittels wildestem Ansturm, in der 52. Minute zumindest das 1:0 durch Lewandowski zu erzielen. Der Weg schien geebnet. Irgendein ein zweites Tor würde man gegen das Gelbe U-Boot, das mit acht Mann hinten drin eher an eine gelbe Krake erinnerte, schon noch schaffen. Und sei es in der Verlängerung.

 

Zu der es jedoch nicht mehr kam. Und Bayern plötzlich mit leeren Händen dastand und sich spätestens heute mit dem Gedanken befassen muss, auf welche Art und Weise man die restlichen fünf Bundesliga-Einsätze bewältigen will und wird. Nagelsmann: „Wir siegen zusammen, wir verlieren zusammen – und wir werden auch diese paar Spiele zusammen hinkriegen.“

 

Das nächste am Ostersonntag gegen Arminia auf der Bielefelder Alm. Wo den Bayern womöglich angesichts der psychischen Niedergeschlagenheit die Lederhosen ausgezogen werden. So wie bis dahin bereits täglich – von den Kritikern, Verhöhnungs-Freaks und Es-schon-immer-gewusst-Habenden.

 

Welch‘ Feiertage für sie – nach dieser unseligen Nacht.

 

Jupp Suttner

 

 

DING (super): Dass der FCB jetzt bereits – fünf Spieltage vor Bundesliga-Schluss – für die Champions League 2022/23 qualifiziert ist.

 

DANG (auch nicht schlecht): Dass Upamecano eines seiner besten Spiele beim FCB hinlegte – und ihm vielleicht doch noch der Durchbruch in München gelingt.

 

DOOOOONG (beruhigend): Dass der FC Bayern in der Bundesliga neun Punkte Vorsprung aufweist.

 

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