Alles begann mit Potofskis Anpfiff

Nostalgie-Interview – wie die Bundesliga ins Fernsehen kam:

So gut wie kein Fan blickt heute (2018) mehr durch, welcher TV-Sender welche Fußballspiele überträgt. Begonnen hat die Privatisierung vor genau 30 Jahren – 1988. Unser Interview aus dem Jahre 2003 mit dem heutigen Sky-Reporter Uli Potofski (inzwischen 61) zeigt auf, wie es damals war.

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JULI 2003, KÖLN.
Genau in dieser Woche vor fünfzehn Jahren fand die erste Fußball-Bundesliga-Sendung im Privat-Fernsehen statt: der Sender RTL plus startete am 23. Juli – damals ein Samstag – den „Anpfiff“. Moderator 1988 und Kultfigur heute noch: Uli Potofski (46). Jupp Suttner sprach mit ihm über alte Fernseh-Zeiten und die neuen Tiraden des Uli Hoeneß.

.. damals
.. und heute

 

 

 

 

 

 

Herr Potofski, vor genau fünfzehn Jahren – am Samstag, 23. Juli 1988 – lief die erste Fußballbundesliga-Sendung im Privatfernsehen über den Bildschirm…

Mein Gott – so lange ist das schon wieder her!

…erinnern Sie sich noch an diese erste Sendung namens „Anpfiff“ auf RTL?

Aber natürlich! Das war für uns alle ein großes Abenteuer. Es gab keine Infrastruktur, keine Leitungen, keine Ü-Wägen, keine Kameraleute – das war einfach gigantisch! Und wir hatten auch viel zu wenig Personal, wir haben die gesamte Sendung mit zwölf Leuten gemacht. Unsere Personalnot war so groß, dass ich – der Moderator – auch noch als Reporter im Einsatz war. Ich sah mir Köln gegen Duisburg an, 1:1 glaube ich, habe von 17.15 bis 18.15 Uhr den Spielbericht fertig gemacht, bin dann vom Müngersdorfer Stadion in das Studio in die Aachener Straße in Köln ‚rübergesprintet – und habe moderiert, ohne irgendeine Ahnung, was auf den anderen Plätzen los war.

Und diese Sendung dauerte dann gleich bis 22 Uhr

…ja, viel zu lang, wir hatten Spielberichte von bis zu 25 Minuten Länge drin, und es war ziemlich dramatisch, weil die Klimaanlage kaputt ging und wir in unvorstellbarer Hitze bei garantiert 40 Grad schufteten.

Wie fiel das Medien-Echo aus?

Vernichtend. Die Presse ist mit uns umgegangen – das war unglaublich… Mit Ausnahme des Kickers haben uns alle anderen ganz fürchterlich in die Pfanne gehauen. Die Zeitungen haben sich einen Spaß daraus gemacht, uns richtig auseinander zu nehmen. Und das fanden wir unfair, denn die hatten die Umstände nicht berücksichtigt, unter denen wir arbeiteten.

Was sagte der große Boss dazu, Dr. Helmut Thoma?

Der hat mir nach dieser ersten Sendung einen wunderbaren Brief geschrieben, den habe ich heute noch. Ein Liebesbrief.

Machte es trotz der vernichtenden Kritik ein wenig Spaß?

Ja, denn wir probierten gnadenlos alles mögliche aus. Und wir hatten keinen einzigen Star im Team und auch keinen von den Öffentlich-Rechtlichen. Das Durchschnittsgehalt in unserer Sportredaktion lag bei 4 500 Mark, ich erhielt als Sportchef 6 000 Mark. Heute kriegen Moderatoren 500 000 Euro im Jahr, vielleicht auch eine Million – ich habe keine Ahnung.

Einen Star hatten Sie doch – Günter Netzer. Er war Ihr Studio-Experte.

Genau. Und er wurde gnadenlos zerrissen. Es hieß, er sei langweilig, spröde und dröge. Aber er war damals exakt genauso wie er jetzt ist. Nur die Zeit hat sich wieder mal geändert. Damals begann die Epoche der Plappermäuler – da passte Netzer nicht. Inzwischen wollen wir allmählich die Plappermäuler nicht mehr – nun wirkt Netzer als Antipode und wird von allen gefeiert. Das finde ich wunderbar und ich freue mich, dass er als großer Gewinner dasteht.

Die Quoten für „Anpfiff“ lagen damals nicht im gewünschten Bereich – an was lag das?

Wir waren nicht überall empfangbar. Und wir hatten keine Exklusivrechte. Aber die Exklusivität ist das wichtigste. Wenn Sie morgen dem Sender Neun Live Rechte für die Bundesliga geben, dann räumen die ab!

Jetzt räumt aber die ARD ab – ab Freitag, 1. August, startet die „Sportschau“ mit der Fußball-Bundesliga. Begrüßen Sie das?

Das ist natürlich eine große Chance für die ARD. Aber ich glaube, dass ein Öffentlich-Rechtlicher das Geld nicht ausgeben darf für die Ware Bundesliga. Das widerspricht dem öffentlich-rechtlichen Gedanken – geht mich aber nichts an. Ich bin aber überzeugt, dass sie es gut machen werden – weil sie weniger Werbung bringen müssen als ’ran. Erste Halbzeit, dann Werbung, dann zweite Halbzeit – wie manchmal bei bei SAT.1 – haben sie nicht nötig.

Bei Ihrem Sender RTL sieht es fußballmäßig dafür zappenduster aus. Und Bayern-Manager Uli Hoeneß hat des RT… (Potofski unterbricht die Frage, ehe noch das L ausgesprochen werden kann…)

Ich mag ihn sehr gern und komme privat wunderbar mit ihm aus. Aber da lag er daneben. Die Leute bei RTL haben mit viel Herzblut Champions League und Bundesliga gemacht. Man kann doch nicht sagen, dass wir den Fußball mit Dreck beworfen haben! Und wenn er in seiner Wurstfabrik eine bestimmte Sorte nicht mehr mit Gewinn verkaufen könnte, würde er die auch nicht mehr im Angebot haben! Und RTL hat schließlich in erster Linie den Auftrag, Geld zu verdienen – Ende, aus. Klar sind wir traurig, dass wir die Champions League nicht mehr haben. Doch wir sind bei RTL 25 Leute im Sport – und haben noch 750 andere Menschen im Sender. Der Rückzug ist für uns im Sport zwar schwer zu verstehen – aber wenn man das große Ganze des Hauses sieht, dann MUSS man Verständnis haben.

Champions League ade – erinnern Sie sich auch noch an Ihre letzte „Anpfiff“-Sendung, bevor die Bundesliga zu SAT.1 wechselte?

Klar, das muss 1992 gewesen sein. Wir übertrugen vom Bökelberg aus – und ich war sehr traurig. Es war, wie wenn man ein Kind verliert – nein, das ist etwas zu hart, es war: wie wenn man ein ganzes Stück von sich selbst aufgibt. Man hat immer davon geträumt, dass man sowas macht und dann kam das unglaubliche, dass man es tatsächlich machen konnte – und dann war es wieder aus. Das tat schon weh. Ich persönlich hatte beschlossen, als Sportchef aufzuhören, um was anderes machen zu können und viele gingen weg: der Wilfried Mohren und auch der Michael Pfad, meine persönliche Entdeckung.

Hatten Sie nie ein Angebot von Ihrer Nachfolge-Sendung ‚ran?

Doch – das war ein völlig neues Gefühl für mich: als ein „Head Hunter“ ganz konspirativ bei mir anrief und mir mitteilte, dass ich mich heimlich mit einem Herrn von SAT.1 treffen müsse… – und das tat ich dann auch, aber ich erkannte, dass das nicht meine Welt war. Es war zu spüren, dass da eine andere Atmosphäre herrschte, als ich es gewohnt war. Wissen Sie, ich liebe – bei aller Kritik, die ich gelegentlich übe – diesen Sender RTL, ich habe hier schon vor 28 Jahren beim Radio angefangen.

Was genau machen Sie inzwischen eigentlich bei RTL?

Ich bin fest angestellt, arbeite in der Sportredaktion mit und kann mich um viele andere Dinge kümmern. Etwa Unterhaltungssendungen begleiten. Das ist übrigens sehr viel schwieriger als Nachrichten oder Sport, denn in der Unterhaltung muss man kreativ sein, da gibt es keinen Grundstock.

Sind Sie eigentlich immer noch Schalke-Fan, wie Sie damals öffentlich als „Anpfiff“-Moderator gestanden?

Ich bin in diesem Stadtteil groß geworden, das prägt. Und ich moderierte bis letztes Jahr beim Sender DSF die Spezialsendung „Auf Schalke“. Die zu beleben, sind jetzt wieder Überlegungen im Gange.

Hat da RTL nichts dagegen?

Der Sender ist sehr, sehr großzügig. Auf meiner schriftlichen Genehmigung ist unter der Unterschrift gestanden: „Aufgrund Ihrer Verdienste um den Sender können wir gar nicht anders.“

Wer wird Deutscher Fußballmeister 2003/04?

Ich befürchte Bayern München.

 

Interview: Jupp Suttner

 

 

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